
Oder sollte ich sagen, Aufwand größer als Weihnachten und gelegte Aufregung schneller als nach Fasching?
Ein klassisch amerikanisches Halloween war nämlich in der Tat beeindruckend, auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass ich das auf dieser einst abgeschotteten Insel so finden würde. Aber in der Tat lassen sich die riesigen gruseligen Aufblasmännchen, Regalwände voller Süßigkeiten und das extra angelegte „haunted house“ in der Schule nicht erklären.
Aber langsam. Eine Woche vor Halloween ist meiner Theatre Arts Lehrerin die glorreiche Idee gekommen, ein haunted house in der Schule zu veranstalten. Mit verschiedenen von Müllsäcken abgetrennten Miniräumen im Musikraum, jeder mit einem anderen Thema, zwei ganzen Klassen, also 40 Kindern, in der Planung und mehr als die Hälfte dieser als Schauspieler, gruselig geschminkt mit zerrissenen Klamotten und natürlich den richtigen Requisiten wie Messern, Käfigen, Puppen und Gehstöcken.
Es war ein lustiges Treiben. Ich habe den Arztraum geplant und ein Zombie gespielt. Wir hatten sagenhafte 3 Stunden Zeit, um alles zu planen und aufzubauen (natürlich nur die Leute, die nicht in der Chef Etage geplant haben – die mussten sogar noch an zwei Abenden kommen), aber erstaunlicherweise hat alles geklappt und wir konnten erfolgreich fast alle Kinder der Schule über den ganzen Freitag vor Halloween erschrecken. Es hat wirklich Spaß gemacht, in der Ecke des kleinen stickigen, nur mit halbdurchsichtigen schwarzen Müllsäcken vom Nebenraum getrennten Raum am Boden zu liegen und zu warten, bis ein Kind so nah an einen herangelaufen war, dass man seinen Knöchel packen konnte. Für die „special needs“ Klasse, also die Klasse mit geistig oder körperlich beeinträchtigten Kindern und allen Kleingruppen mit besonders ängstlichen Kindern haben wir das Licht angemacht oder die Warnung bekommen, jetzt nicht zu schauderhaft zu spielen.
Es war ein Höllenlärm im Musikraum, weil die Puppenspielmädchen die ganze Zeit geschrien haben und ohrenbetäubend laute Gruselmusik lief, aber trotz allem habe ich gut durchgehalten.
Und nachdem wir den Raum am Ende des Tages ausgeräumt, gefegt und gewischt haben, war er glaube ich so sauber wie schon lange nicht mehr.
Und am Sonntag, an Halloween habe ich dann das Gegenteil des deutschen Sparbrötchentums beim „Trick or Treating“ erlebt, denn statt einem kleinen Schokoriegel hat jedes Kind selbst in den belebtesten Straßen ein zusammengestelltes Tütchen mit mehreren der wahlweise Chips, Gummibärchen, Schokolade oder vieles mehr Päckchen bekommen. Teilweise auch Getränke wie Pepsi oder „Rootbeer“. Meine große Einkaufstasche ist immer noch halb voll, obwohl ich schon alle Sachen mit Erdnuss rausgefischt habe (und das sind Massen – Flips, Erdnussbutter Bonbons, diverse Riegel, …).
Wir sind mit ein paar Freunden aus der Schule gelaufen, mit denen wir danach noch einen Film geguckt haben.

Aber nicht nur Halloween ist ein groß angelegtes Fest hier. Neben Thanks Giving, bei dem wir Truthan hatten, den meine Gasttante drei Tage lang in allen möglichen Supermärkten als besten seiner Art erlangen wollte, gab es auch einen speziellen Tag, von dem ich noch nie etwas gehört hatte, was sich als große Wissenslücke herausgestellt hat. Denn ehrlich gesagt haben wir in der Schule immer nur über „die Indianer“ in den USA oder die Sklaven in Südamerika geredet. Dieses Modell des indigenen Genozids, wie es in Kanada im großen Maßstab und auch in den USA ausgeübt wurde, das „residential school“ Modell, bei dem alle Kinder indigener Abstammung bis teils unfassbarer Weise 1996, wo die letzten Schulen dieser Art geschlossen wurden, von ihren Eltern mit staatlicher Anordnung weggenommen wurden, um ihnen in christlichen Internatsschulen mit unmenschlicher Unterdrückung die „westlichen Manieren“ beizubringen. Die Methoden, wenn ein Kind nicht gehorcht hat, waren gewaltsam, sodass viele Kinder gestorben sind. Und weil Transportkosten zurück zu den Eltern für eine würdige Bestattung zu groß waren, wurden sie in Massengräbern beerdigt. Und das alles unter dem Radar der restlichen Bevölkerung.
Das hier ist eigentlich mein Blog, aber da ich persönlich und sonst niemanden meiner Familie und Freunde in Deutschland, die ich gefragt habe, darüber gewusst haben, wollte ich darauf nur kurz aufmerksam machen.
Jedenfalls gab jetzt, weil wieder so ein Massengrab gefunden wurde, endlich einen neuen Feiertag, einen Aufarbeitungstag. Der war am 30. September. Wir haben in der Schule viel darüber geredet, ein orangenes T-Shirt bekommen, was ein Teil einer Geschichte eines dieser Kinder ist und zum großen Symbol für diesen Tag geworden ist, der „Day Of Truth And Reconciliation“ heißt.
Am Wochenende haben wir eine kleine Wanderung gemacht, bei der ich unglaublich schöne Ansichten der Küste und des Meeres einfangen konnte. Dabei haben wir auch einen Geo Cache gefunden.
Und wir waren Eislaufen, das hat auch sehr viel Spaß gemacht. Das kann man hier in der Nachbarstadt im Gemeindezentrum jeden Sonntag für 5$ und eine Stunde lang. Ich hoffe, da gehen wir noch öfter hin…
In der letzten Zeit ging es mir ganz okay, ich habe mich gut eingelebt und mein Englisch ist glaube ich auch schon besser geworden. Zumindest scheue ich mich schon nicht mehr ganz so sehr, etwas zu sagen. Aber es war dann doch immer so viel los oder ich hatte keine Lust oder Kraft, noch den Blog zu schreiben, weil ich mir da auch zumindest ein bisschen Mühe geben möchte. Deswegen gab es heute mal wieder etwas ausführlicher.
Dieses Wochenende hatten wir dann auch den ersten Schnee hier; er hat zwar nur einen Tag gehalten, aber mein thailändischer Bruder war komplett aus dem Häuschen, weil er noch nie Schnee fallen gesehen hatte, das war ziemlich witzig. Wir haben Schneemänner und Schneeengel gemacht und am nächsten Tag war der ganze Spuk wieder vorbei. Ich freue mich aber auf jeden Fall schon auf den Winter, wenn der Schnee auch bleibt und wir vielleicht Ski fahren gehen. Das wäre so cool.
Was noch so passiert ist: Ich war krank, beziehungsweise bin es noch und gerade als ich diesen Satz schreibe, muss ich schon wieder husten… Das muss ich noch ein bisschen auskurieren.
Und! Wir waren gestern mit den anderen internationalen Schülern aus dem Umkreis Paintball spielen! Das war ziemlich cool, wir haben Anzüge, Helme, Handschuhe und Waffen bekommen, sechs Spiele auf insgesamt drei Feldern gespielt. Die Regeln waren einfach; wer getroffen ist, ist tot, getroffene Waffe zählt, und muss mit erhobenen Händen aus dem Feld gehen. Die Farbbälle waren aus weichem Plastik und mit klebriger Farbe gefüllt. Wenn man getroffen wurde, hat das aber schon ziemlich wehgetan. Und ich wurde ja nur am Bauch und in die Mütze getroffen, weil ich dank meiner „ich verstecke mich so lange, bis die Gegner denken, alle sind tot und näher zu mir kommen“ Taktik nicht so schlimm im Visier der am Anfang des Spiels blutrünstigen und schießfreudigen Gegner geraten bin, aber mein spansicher Bruder hat es ganz schön am Hals abbekommen, mit dickem Bluterguss. Danach gab es für alle Pizza und wir sind mit dem von meinem Gastvater gefahrenen Bus wieder nach Hause. Ein witziges Phänomen ist die spanische Gruppenzugehörigkeit. Egal, wo man hier mit Schülern aus mehreren Schulen hingeht, die Spanier finden sich und sind gegen den Rest der Welt (zumindest haben sie das beim Paintball behauptet). Könnte aber auch daran liegen, dass sie witziger Weise fast alle aus der gleichen Schule kommen.
Jedenfalls ist gerade der kleine Enkel von meinen Gasteltern zu Besuch, was das Haus noch quirliger macht. Deswegen, und weil ich immer noch ziemlich Kopfweh von meiner Erkältung habe, gehe ich jetzt mal schlafen. Ab jetzt ist übrigens Weihnachten dran und alle fangen an, dafür zu werben und zu schmücken… bin ja mal gespannt.
Bis bald, euer Thiglu