Ich kann es mir gar nicht vorstellen, aber ich bin einfach schon mehr als einen Monat hier in Kanada.
Letzten Montag haben wir einen Ausflug zum östlichsten Punkt Nordamerikas, dem Cape Spear, gemacht. Nach einer einstündigen Fahrt und einem kurzen Fußmarsch war dann das erste, was man sehen und vor allem hören konnte, die Wellen. Sie waren gigantisch, mindestens 3 Meter hoch und haben sehr schöne Foto Motive geboten.
Es war schon ein komisches Gefühl, fast am Rand der Klippe zu stehen, den Blick auf den Horizont gerichtet zu haben und zu wissen, dass man jetzt am nächsten an zu Hause ist wie schon einen Monat nicht mehr. Dass man den Arm ausstrecken kann und sagen kann, da ist als nächstes Spanien und sonst nichts.
Es ist mir aufgefallen, dass ich immer die ersten paar Minuten, die ich mit jemandem Deutsch spreche, brauche, um reinzukommen. Das ist schon witzig, weil es immer erst dann bemerke, wenn ich mich selbst nerve, weil ich so langsam spreche.
Ansonsten ist nicht viel passiert; ich gewöhne mich weiter ein. Es geht mir gut, an Halloween treffe ich mich auch mit Freunden zum alle kanadischen Süßigkeiten probieren.
In meinem Kunst Club einmal die Woche malen wir gerade die Türen eines Naturwissenschaftsraums an. Jeder Lehrer hat hier ja seinen eigenen Raum, den er so gestalten kann, wie er will. Das Malen macht Spaß, und es macht die ganzen Räume auch sehr viel persönlicher.
In den letzten Tagen ist der Alltag eingekehrt, weswegen ich auch nicht mehr so oft Updates geben werde.
In der Schule haben alle Lehrer angefangen, ihren Stoff durchzunehmen, ich weiß mittlerweile, wo alles ist, stehe jeden Morgen um 7 Uhr auf und dusche jeden zweiten Tag, mache mir mein Frühstück und packe das Mittagessen, nehme den Schulbus um 8:20 und steige um 10 vor 9 vor der Schule aus. Mein Schuldirektor steht an der Schultür und hält sie auf, um jeden Schüler zu begrüßen. Dann krame ich mein Handy raus, weil ich meinen Stundenplan immer noch nicht weiß und laufe gemütlich mit dem Strom in meinen Klassenraum.
Mein Bruder aus Thailand ist mittlerweile auch angekommen und ich glaube, der hat noch mehr Schwierigkeiten mit der neuen Kultur als mein Bruder aus Spanien und ich, und er hat sich auch noch direkt eine Erkältung eingefangen, weswegen er heute nicht in die Schule durfte.
Die Corona Auflagen werden hier sehr streng genommen und seit wir 10 Fälle oder so hatten, müssen wir auch immer und überall wieder eine Maske tragen. Verstehen kann man es; durch die Nullerinszidenz hatte man hier extreme Freiheiten zurückerlangt. Und wenn dann mal alle für zwei Wochen wieder radikal sind, kann man diese Freiheiten bald wieder genießen. Ich hoffe nur, das sehen meine Klassenkameraden die nächsten Tage auch noch so, denn die Maske nur an der Unterlippe hängen zu haben, hilft natürlich nichts.
Vorgestern waren mein Gastvater, mein Bruder aus Spanien und ich nochmal mit dem Side-by-side unterwegs und sind zu einem der tausenden kleinen Seen der Umgebung gefahren, um die wunderschön friedliche Atmosphäre zu genießen.
Man könnte stundenlang nur auf dem Steg sitzen und den leisen Wellen beim Plätschern zuhören.
Mit den anderen „Internationals“, also den anderen Austauschschülern haben wir letzten Freitag ein Lagerfeuer gemacht, Würstchen und Marshmallows gegrillt, uns über die witzigen Eigenheiten unserer jeweiligen Länder ausgetauscht und viel gelacht. Außerdem waren wir mit ihnen am Samstag im „Dairy Queen‘s“, was ein Fastfoodrestaurant für Eis und Burger ist.
Es ist schön, nicht der einzige Neue zu sein, der sich in einer lange bekannten Gruppe beweisen muss, deswegen macht es auch Spaß, wenn wir als Gruppe der internationalen Austauschschüler ein bisschen zusammenwachsen.
Trotzdem versuche ich natürlich, auch kanadische Freunde zu finden. Da ich in jedem Fach mit anderen Leuten zusammen bin, gestaltet sich das Kontakt halten zwar etwas schwieriger, aber dadurch lerne ich auch viele verschiedene Leute kennen.
Ich habe schon so ein paar Leute, denen ich auf dem Flur hallo sage und immer mal einen Snap schicke (für die Nicht-in-der-jugendwelt-gefangenen unter euch; das ist eine Social Media Plattform, wo man täglich Bilder und/oder Texte verschickt, die nach dem Ansehen gelöscht werden, um die Privatsphäre zu schützen, um „Flammen“ zu sammeln, die wie Trophäen sind, um auszudrücken, wieviele Tage in Folge man sich Nachrichten geschickt hat. Das war ein langer Satz😂 Das macht man, um den anderen kleine Sequenzen aus seinem Leben zu zeigen, ohne viel dazu zu erzählen)
Wenn ich in den Bus steige, begrüßt mich der Busfahrer, wenn ich in die Klasse komme, begrüßt mich der Lehrer; man fühlt sich sehr aufgenommen.
Nächstes Wochenende fahren meine Brüder und ich mit meinen Gasteltern campen, darauf freue ich mich schon. Dafür habe ich heute schon drei verschiedene Kuchen bzw. Kekssorten gebacken.
Ich melde mich die nächsten Wochen mal wieder, wenn ich etwas Interessantes zu erzählen habe.
Nachdem nach dem Hurricane vor mittlerweile 3 Tagen nur ein paar Dachziegel von unserem Haus abgefallen sind und auch sonst in der Stadt nichts Schlimmes passiert ist, waren wir alle wieder etwas beruhigt. In der Nacht hatten die Hunde allerdings viel Theater gemacht, weswegen mein Gastvater fast die ganze Nacht wach war. Am nächsten Morgen sind dann meine Gastmutter und mein erster Gastbruder angekommen. Er ist aus Spanien, und niemand kann hier seinen Namen richtig aussprechen… Er ist ein bisschen jünger als ich, aber sehr nett und jetzt habe ich jemanden zum Abhängen. Wir gucken zusammen Fernsehen oder wundern uns über die Angewohnheiten der Neufundländer.
Da sind mir nämlich schon ein paar aufgefallen:
Sie reden sehr schnell und irgendwie verwaschen, es ähnelt ein bisschen dem Südstaaten Akzent
Sie hängen an viele konjugierte Verben, egal welche Person, ein s (z.B. we dries them, you uses them, I bakes it)
Sie essen gerne viel Fleisch aller Art zu jedem Abendessen, was sie „Sopper“ statt „Dinner“ nennen
Sie haben kein richtiges Mittagessen, nur höchstens einen Snack
Großpackungen von allem sind Standard (5kg Mehl, 3l Orangensaft, 2l Shampoo, 2l Milch)
Ich weiß nicht, ob das nur so ein Neufundland- oder Kanada-Ding ist, aber die Kennzeichen der Autos sind nur auf der Rückseite, die Vorderseite des Autos ist leer oder eine Flagge oder ähnliches steckt in dem Fach für das Kennzeichen
Der Familienzusammenhalt ist sehr stark (Meine Gasteltern rufen ihre Enkel zweimal täglich an)
Die Atmosphäre in der Schule ist auch sehr familiär (Alle Lehrer sind sehr nachsichtig und offen. Die Kinder behandeln ihre Lehrer eher wie Freunde als wie Respektspersonen)
Die Leute scheinen sehr stolz auf ihre Herkunft um England zu sein und verfallen immer mal in eine Teatime, der ich auch gerne beiwohne
Meine Gastmutter ist auch sehr nett, etwas beschäftigt mit ihrem Job, sich um das Wohlbefinden der rund 60 Gastschüler zu kümmern, sie sie koordiniert, aber mit ihr kann man gut reden und ehrlich sein, wenn einem etwas nicht passt.
Der erste Schultag war übrigens heute, zwar nicht für die anderen Kinder, die haben schon seit letztem Mittwoch Schule, aber für die „Internationals“, also die internationalen Schüler. Das sind insgesamt 16 Stück, 5 aus Deutschland, mich inkludiert.
im Schulbus
unsere Cafeteria
Heute wurden mein Gastbruder und ich von meinem Gastvater in die Schule gefahren. Dort haben wir erstmal von ein paar einheimischen Schülern alles gezeigt bekommen und mussten dann unsere Fächer wählen. Hier in Kanada hat man entweder 4 Fächer pro Halbjahr, oder 8 Fächer pro Jahr, und meine Schule hat irgendwie nur 7 Fächer und ich denke mal für das ganze Jahr. Man muss die Kurse Mathe, Englisch, Social Studies (sowas wie Politik und Wirtschaft) und eine Naturwissenschaft besuchen. Des weiteren kann man sich 3 Fächer aussuchen. Da gibt es alles von weltweiten Religionen und Philosophie bis Computertechnik. Ich habe mich für Ethik und Philosophie, Kochen und Theater Kunst und Musik entschieden. Ich hätte auch anderes gerne gemacht, aber manche Kombinationen gehen auch nicht, weil man alles in sieben festen Blöcken hat und jeder Lehrer in jedem Block nur ein Fach unterrichten kann.
Ich habe dann an einem Tag 5 Fächer und fange sozusagen an jedem neuen Tag mit dem nächsten Fach in der Block-Liste an, also z.B. am zweiten Tag mit dem Fach aus Block 6. Die Schule fängt um 9 Uhr an und endet um 3 oder so, das wird sich die nächsten Tage noch herausstellen, denn heute habe ich kaum auf die Dauer der Stunden oder das Ende der Stunden achten können, und einen Stundenplan habe ich auch noch nicht, weil ich irgendwie noch nicht in deren Computersystem registriert bin.
Ich habe schon mit ein paar netten Leuten gesprochen und hoffe natürlich, dass das die nächsten Tage weitergeht und ich ein paar Freunde finde. Ich bin gespannt.
Gestern sind mein Gastbruder (nennt man das überhaupt Gastbruder, wenn er nicht aus der Familie ist? Ich nenne ihn von jetzt an einfach meinen Bruder…) und ich zum Strand gefahren, haben ein bisschen das eiskalte Wasser und die wunderschöne Aussicht genossen und dann versucht, den Berg wieder hochzukommen, auf dem wir wohnen. Betonung liegt hier auf versucht, denn nach ein paar Metern sind wir nur noch keuchend den Berg hochgekrochen.
Und das Highlight des Tages gestern war ein Ausflug mit den Motorrädern meiner Gasteltern. Ich bin noch nie Motorrad gefahren, und es war umwerfend cool. Wie der Wind einem durchs mit einem Helm gepanzerte Gesicht pfeift, man sich in jeder Kurve leicht zu einer Seite lehnen muss, man jede kleine Veränderung des Bodens im ganzen Körper spürt; es ist faszinierend, wenn auch etwas angsteinflößend. Aber auf jeden Fall eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich hoffe, wir machen es bald wieder!
Heute hat meine Gastmutter mich kurz ihrer Nähmaschine vorgestellt, was für beide Parteien sehr bereichernd ist. Ich bin zufrieden beschäftigt und sie bekommt Decken für ihre Hunde und Bezüge für Matratzen genäht.
Es ist nicht nötig zu sagen, dass ich jetzt ins Bett muss, weil morgen Schule ist, denn ich kann immer noch problemlos um 7 Uhr aufwachen, aber ich mache trotzdem gleich Schluss und schreibe bald mal wieder.
Jetzt ist Eingewöhnen angesagt. Sich an das andere Schulsystem gewöhnen, sich an die Leute und Lebensweise gewöhnen, sich daran gewöhnen, dass man sich nie daran gewöhnen wird, dass man eine Mischung aus Deutsch und Englisch braucht, um sich gescheit auszudrücken; Im Ernst, hat jemand eine bessere Art, um „getting used to something“ zu sagen, ohne die ganze Zeit „sich an etwas gewöhnen“ zu sagen?!
Hier noch ein Sonnenuntergang von heute Abend aus meinem Fenster: